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Preprint zur Wirksamkeit des mRNA-Impfstoffs der Firma Curevac

Preprint zur Wirksamkeit des mRNA-Impfstoffs der Firma Curevac

This article was published on
September 3, 2021

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Daten zur klinischen Wirksamkeit des mRNA-Impfstoffs CVnCoV der Tübinger Firma Curevac waren bisher allein aus Pressekonferenzen und -mitteilungen bekannt. Vergangene Woche erschien nun eine erste wissenschaftliche Preprint-Publikation (siehe Primärquelle). In der bisher nicht begutachteten Auswertung der Phase 2b/3 Studie werden Daten zur klinischen Wirksamkeit und Sicherheit von zwei Impfdosen mit je zwölf Mikrogramm CVnCoV im Abstand von vier Wochen beschrieben. Daten zur Immunogenität des Impfstoffs im Serum der Probanden sind erst für spätere Publikationen angekündigt. In Studienzentren in Europa und Lateinamerika wurden dem Preprint zufolge zwischen dem 11.12.2020 und dem 12.04.2021 insgesamt 39.680 Teilnehmer randomisiert, 19.783 erhielten CVnCoV, 19.746 ein Placebo. Die publizierten Daten basieren auf 228 dokumentierten SARS-CoV-2-Infektionen von jeglichem Schweregrad, die frühestens zwei Wochen nach Verabreichung der zweiten Dosis auftraten. Eine Besonderheit der klinischen Studie ist die sehr hohe Drop-Out-Rate der Teilnehmenden, bei den Probanden zwischen 18 und 60 Jahren wurden 32 Prozent entblindet, bei den älteren Probanden flossen 70 Prozent der zunächst Teilnehmenden nicht in die Endauswertung ein. Bei den verbliebenen Probanden ergab sich im Vergleich von Impfstoff und Placebo eine Gesamteffektivität („Vaccine Efficacy“, VE) von 48,2 Prozent. Unterteilt man die Wirksamkeit der Impfung zwischen Impfgruppe und Placebo in dem europäischen und den lateinamerikanischen Arm, dann betrugt die VE in Europa lediglich 43,7 Prozent, in Lateinamerika 49,2 Prozent. Die VE lag damit unter der von FDA und WHO als Kriterium für eine Zulassung angegebenen unteren Grenze von 50 Prozent. Allein bei Teilnehmenden im Alter von 18 bis 60 Jahren betrug die Impfeffektivität in einer Subgruppenanalyse 52,5 Prozent. Die Gesamt-VE gegen mittelschwere bis schwere COVID-19-Fälle betrug in dieser Altersgruppe 77,2 Prozent. Bei Probanden über 61 Jahren konnten aufgrund niedriger Fallzahlen statistisch keine Wirksamkeitsunterschiede belegt werden (CVnCoV: 12, Placebo: 9). Der Impfstoff befindet sich bereits seit Februar 2021 in einem sogenannten Rolling-Review-Verfahren der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), die Firma Curevac hat mit der Publikation des Preprints erneut verkündet, in „engem Kontakt“ mit der EMA zu stehen und sich weiterhin um die Zulassung von CVnCoV bemühen zu wollen. Ein offizieller Zulassungsantrag liegt jedoch bisher nicht vor. Der Vertrag der EU-Kommission mit dem Hersteller verpflichtet zu einem Kauf der vorbestellten Impfdosen allein für den Fall einer europäischen Zulassung.

Daten zur klinischen Wirksamkeit des mRNA-Impfstoffs CVnCoV der Tübinger Firma Curevac waren bisher allein aus Pressekonferenzen und -mitteilungen bekannt. Vergangene Woche erschien nun eine erste wissenschaftliche Preprint-Publikation (siehe Primärquelle). In der bisher nicht begutachteten Auswertung der Phase 2b/3 Studie werden Daten zur klinischen Wirksamkeit und Sicherheit von zwei Impfdosen mit je zwölf Mikrogramm CVnCoV im Abstand von vier Wochen beschrieben. Daten zur Immunogenität des Impfstoffs im Serum der Probanden sind erst für spätere Publikationen angekündigt. In Studienzentren in Europa und Lateinamerika wurden dem Preprint zufolge zwischen dem 11.12.2020 und dem 12.04.2021 insgesamt 39.680 Teilnehmer randomisiert, 19.783 erhielten CVnCoV, 19.746 ein Placebo. Die publizierten Daten basieren auf 228 dokumentierten SARS-CoV-2-Infektionen von jeglichem Schweregrad, die frühestens zwei Wochen nach Verabreichung der zweiten Dosis auftraten. Eine Besonderheit der klinischen Studie ist die sehr hohe Drop-Out-Rate der Teilnehmenden, bei den Probanden zwischen 18 und 60 Jahren wurden 32 Prozent entblindet, bei den älteren Probanden flossen 70 Prozent der zunächst Teilnehmenden nicht in die Endauswertung ein. Bei den verbliebenen Probanden ergab sich im Vergleich von Impfstoff und Placebo eine Gesamteffektivität („Vaccine Efficacy“, VE) von 48,2 Prozent. Unterteilt man die Wirksamkeit der Impfung zwischen Impfgruppe und Placebo in dem europäischen und den lateinamerikanischen Arm, dann betrugt die VE in Europa lediglich 43,7 Prozent, in Lateinamerika 49,2 Prozent. Die VE lag damit unter der von FDA und WHO als Kriterium für eine Zulassung angegebenen unteren Grenze von 50 Prozent. Allein bei Teilnehmenden im Alter von 18 bis 60 Jahren betrug die Impfeffektivität in einer Subgruppenanalyse 52,5 Prozent. Die Gesamt-VE gegen mittelschwere bis schwere COVID-19-Fälle betrug in dieser Altersgruppe 77,2 Prozent. Bei Probanden über 61 Jahren konnten aufgrund niedriger Fallzahlen statistisch keine Wirksamkeitsunterschiede belegt werden (CVnCoV: 12, Placebo: 9). Der Impfstoff befindet sich bereits seit Februar 2021 in einem sogenannten Rolling-Review-Verfahren der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), die Firma Curevac hat mit der Publikation des Preprints erneut verkündet, in „engem Kontakt“ mit der EMA zu stehen und sich weiterhin um die Zulassung von CVnCoV bemühen zu wollen. Ein offizieller Zulassungsantrag liegt jedoch bisher nicht vor. Der Vertrag der EU-Kommission mit dem Hersteller verpflichtet zu einem Kauf der vorbestellten Impfdosen allein für den Fall einer europäischen Zulassung.

Publication

Efficacy and Safety of the CVnCoV SARS-CoV-2 mRNA Vaccine Candidate: Results from Herald, a Phase 2b/3, Randomised, Observer-Blinded, Placebo-Controlled Clinical Trial in Ten Countries in Europe and Latin America

Not peer-reviewed
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Peer-reviewed
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Expert Comments: 

Prof. Dr. Clemens Wendtner

Formal betrachtet erzielt die Studie ihren primären Endpunkt, ist also statistisch gesehen positiv zu bewerten. Jedoch liegt die Effektivität von CVnCoV mit einem Wert von 48,2 Prozent deutlich unter den Erwartungen. Studienspezifisch ging man zunächst im Design und Fallzahlberechnung von mindestens 60 Prozent Effektivität aus, musste aufgrund zu weniger Infektionsereignisse das Design anpassen, sodass bereits eine Effektivität von 30 Prozent als ausreichend betrachtet wurde.

Es bleibt festzuhalten, dass mit einer Gesamteffektivität von unter 50 Prozent die seitens der WHO geforderte Mindesteffektivität von Vakzinen nicht erzielt wurde. Auch im Vergleich zu bereits in Anwendung befindlichen Impfstoffen auf mRNA-Basis fallen die Ergebnisse deutlich ab: die Effektivität für den Impfstoff der Firma Moderna liegt bei 95 Prozent, für Comirnaty (Biontech) bei 94 Prozent. Selbst Vektorimpfstoffe wie Vaxzevria (Astrazeneca) schnitten hier mit einer Effektivität von 62 Prozent in der Zulassungsstudie besser ab. Insgesamt sind daher die aktualisierten Daten für CVnCoV enttäuschend.

Die Begründung einer verminderten Wirksamkeit aufgrund des Effektes von neuen Virusvarianten, insbesondere bei Rekrutierung in Südamerika, wirkt wenig überzeugend. Auch wenn die anderen in Anwendung befindlichen Impfstoffe getestet und zugelassen wurden, als vorwiegend der Wildtyp von SARS-CoV2 grassierte, sind inzwischen zahlreiche Studien publiziert worden, die auch eine Wirksamkeit der bereits verfügbaren Präparate der mRNA-Wirkstoffgruppe bei VOCs (variants of concern) belegen. Auch die real-world evidence an vielen Millionen Impflingen in verschiedenen Ländern zeigt eine gute Wirksamkeit dieser Präparate gegen die neuen Varianten, nicht zuletzt gegen die derzeit prominente Delta-Variante von SARS-CoV-2.

Es ist bedauerlich, dass bis dato keine Daten zur humoralen und zellulären Immunantwort von CVnCoV vorgelegt wurden. Letztendlich ist aber entscheidend, ob eine Infektion, insbesondere schweren Grades, ausreichend durch einen Impfstoff unterdrückt werden kann. Selbst hier liegt man mit einem Wert von 70,7 Prozent bei CVnCoV deutlich unter den Vergleichswerten anderer Impfstoffpräparate, die eine schwere Covid-19 Erkrankung im Bereich von nahezu 99 Prozent unterdrücken können. Bedauerlicherweise ist gerade das Alterskollektiv jenseits des 60. Lebensjahres nur unzureichend für CVnCoV aufgrund schleppender Rekrutierung untersucht worden, sodass keine belastbaren Aussagen für diese Subgruppe getroffen werden können.

Insgesamt halte ich die Daten aus der nun vorliegenden Zulassungsstudie mit CVnCoV in der derzeitigen Form für nicht ausreichend und nicht überzeugend genug, um eine Zulassung für eine Impfung gegen COVID-19 auszusprechen. Im Vergleich zu bereits verfügbaren Impfstoffen, nicht zuletzt aus der Wirkstoffgruppe der mRNA-Impfstoffe, sind die Effektivitätsdaten suboptimal, sodass kein Zusatznutzen erkennbar ist.

Prof. Dr. Oliver A. Cornely

Das Studiendesign war prinzipiell geeignet. Die Studie ist aber rückblickend in der Entwicklung der Pandemie zu spät gestartet. Die europäische Zulassung der Impfstoffe von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca hat die epidemiologische Situation verändert. Es bestanden Alternativen zu Placebo und je mehr Bevölkerungsgruppen ein Impfangebot erhielten, desto rascher gingen der Studie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verloren. Die Entwicklung schreitet sehr rasch voran. Heute würde man einen aktiven Vergleichsarm fordern.

Auf die Frage, wie plausibel die unternehmensseitige Erklärung ist, dass ein großer Anteil verschiedener Varianten von SARS-CoV-2 die Wirksamkeit beeinflusst haben könnte:
Das mag sein, wir sehen ja eine Verringerung der Wirksamkeit der zugelassenen Impfstoffe zum Beispiel gegen die Delta-Variante. Dies betrifft aber weit überwiegend asymptomatische Infektionen und leichte Erkrankungen. Die Wirksamkeit gegen schwerere Verläufe ist niedriger als erwartet. Wir werden zukünftig sehen, ob dies bei den zugelassenen Impfstoffen ebenfalls der Fall ist.

Auf die Frage, inwieweit die fehlenden Immunitätsdaten zur Beurteilung der Wirksamkeit relevant sind:
Die Immunitätsdaten sind definitiv relevant zur Beurteilung der Wirksamkeit. Die Autoren schreiben, diese Daten liegen noch nicht vor, und kündigen deren spätere Veröffentlichung an. Das ist in Ordnung, auch eine Teilmenge der Daten ist bereits informativ. Ich vermisse aber eine ITT-Auswertung zur Effektivität, also über alle knapp 40.000 Personen. Man würde gerne beide Analysen vergleichen. Diese Daten müssten bereits vorliegen. (Bei einer Intention-to-treat-Analyse werden die Daten aller Probanden, die man vorher beabsichtigte zu behandeln, nachher auch ausgewertet, selbst wenn die Teilnehmer im Laufe der Studie ausgeschieden sind; Anm. d. Red.)

Auf die Frage, ob anhand der vorliegenden Daten eine Zulassung für den Impfstoff ausgesprochen werden sollte:
Ich bin da pessimistisch, aber es ist ein sehr komplexer Sachverhalt. Wenn sich zukünftig Varianten durchsetzen würden, bei denen gerade dieser Impfstoff wirksamer wäre als andere, dann gäbe es eine Anwendung. Aber das ist eher eine Eventualität.

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