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Als Hauptmaßzahl für das Corona-Infektionsgeschehen will das Robert Koch-Institut neben der Inzidenz nun auch stärker die Belegung der Krankenhäuser berücksichtigen. Einer neuen Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums zufolge müssen Kliniken in Deutschland künftig mehr Daten zu ihren Corona-Patienten melden als bisher. So sollen sie unter anderem Daten dazu sammeln, wie viele Patientinnen und Patienten mit COVID-19 auf den Normalstationen aufgenommen werden, welche Symptome sie haben und wie ihr Impfstatus ist. Das Gesundheitsministerium erhofft sich dadurch mehr Informationen zu allen in den Kliniken behandelten COVID-19-Patienten. Dadurch soll die Belastung für das Gesundheitssystem zeitnah zum Infektionsgeschehen besser abgeschätzt werden können. Bisher müssen die Häuser nur melden, wie viele Patienten auf die Intensivstationen kommen. Das SMC hat Expertinnen und Experten dazu befragt, inwieweit sie die neuen Indikatoren für sinnvoll erachten und welchen Stellenwert sie für Maßnahmen mit Blick auf das Pandemiegeschehen im Herbst bei steigenden Impfquoten haben.
Als Hauptmaßzahl für das Corona-Infektionsgeschehen will das Robert Koch-Institut neben der Inzidenz nun auch stärker die Belegung der Krankenhäuser berücksichtigen. Einer neuen Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums zufolge müssen Kliniken in Deutschland künftig mehr Daten zu ihren Corona-Patienten melden als bisher. So sollen sie unter anderem Daten dazu sammeln, wie viele Patientinnen und Patienten mit COVID-19 auf den Normalstationen aufgenommen werden, welche Symptome sie haben und wie ihr Impfstatus ist. Das Gesundheitsministerium erhofft sich dadurch mehr Informationen zu allen in den Kliniken behandelten COVID-19-Patienten. Dadurch soll die Belastung für das Gesundheitssystem zeitnah zum Infektionsgeschehen besser abgeschätzt werden können. Bisher müssen die Häuser nur melden, wie viele Patienten auf die Intensivstationen kommen. Das SMC hat Expertinnen und Experten dazu befragt, inwieweit sie die neuen Indikatoren für sinnvoll erachten und welchen Stellenwert sie für Maßnahmen mit Blick auf das Pandemiegeschehen im Herbst bei steigenden Impfquoten haben.
Beim Management der Corona-Pandemie hat die Frage der schweren Erkrankungen bei Infektionen eine zentrale Rolle gespielt, die Sorge galt der Überlastung der Versorgungssysteme. Diese Überlastung droht nun vermutlich nicht mehr. Mit der Ergänzung der für Entscheidungen genutzten Maßzahlen um die Aufnahme ins Krankenhaus samt weiterer Detailinformationen wird ein wichtiger Schritt vollzogen, um die Bedeutung von Corona-Infektionen, und nicht nur schlicht ihr Vorliegen, stärker in das Management einzubeziehen. Dies ist wichtig, weil bei immer besserer Durchimpfung Infektions- und Erkrankungsstatus weniger eng zusammenhängen. Meiner Kenntnis nach lagen Informationen zumindest zur Krankenhausaufnahme aber auch bisher schon vor, wurden aber nicht prioritär genutzt.
„Für den Herbst und Winter wird es aus meiner Sicht weiter sinnvoll sein, eine Infektionsüberwachung anhand von Inzidenzen weiterhin durchzuführen. Danach wird zu prüfen sein, ob darauf verzichtet werden kann. Möglicherweise geht dies dann in eine Sentinel-Surveillance (kontinuierliche Erhebung von epidemiologisch relevanten Daten innerhalb der gesundheitlichen Vorsorge, zum Beispiel zur epidemischen Situation bestimmter Infektionskrankheiten; Anm. d. Red.) über, wo unter klar definierten Bedingungen in ausgewählten Gruppen nach Infektionen gesucht und gegebenenfalls dann auch sequenziert wird, um einen Überblick über Varianten zu behalten.
Angesichts niedriger Inzidenzen in den letzten Wochen und einer stetig steigenden Impfquote in Deutschland macht es aus klinischer Sicht Sinn, künftig die Corona-Maßnahmen an weitere Kennziffern zu knüpfen. Hierbei geht es darum, bereits früh Belastungsgrenzen für den Gesundheitssektor und nicht zuletzt auch für den Kliniksektor zu erkennen. Die Hospitalisierungsrate erfasst im Gegensatz zur alleinigen Messung der Belegung von Intensivbetten auch die Normalstationen in Kliniken. Dies ist wichtig, da auch hier Personal gebunden ist und in Kliniken Bettenkapazitäten aus anderen Bereichen kurzfristig zur Verfügung gestellt werden müssten.
In großen Kliniken mit ausreichender Erfahrung in der Versorgung von COVID-19-Patienten ist eine Erhebung von COVID-19-Fällen im 24-Stunden-Rhythmus seit Beginn der Pandemie geübte Praxis. Wichtig ist nunmehr auch zu erfassen, ob die COVID-19 Erkrankung der primäre Aufnahmegrund für den Patienten war oder ob zum Beispiel ein Unfallopfer zufällig auch im Aufnahme-Screening in der Notaufnahme der Klinik positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde. Noch entscheidender ist aber die Erfassung des Impfstatus des aufgenommenen COVID-19-Patienten: sollte dieser ungeimpft oder nur unvollständig geimpft sein, wäre eine COVID-19-Erkrankung früher oder später zu erwarten gewesen. Alarmiert wäre man allerdings, wenn sich angesichts der drohenden Delta-Welle vermehrt Patienten in den nächsten Wochen und Monaten in den Kliniken einfinden würden, die bereits vollständig geimpft waren. Auf diese Weise würde man wichtige Hinweise für die Steuerung von Drittimpfung- beziehungsweise Booster-Impfungen ziehen können. Insgesamt ist es gut, dass nunmehr ein feingranuläres Frühwarnsystem in den Kliniken installiert werden soll, sodass eine Belastungsprobe des Gesundheitssystems nicht erst dann offensichtlich wird, wenn Intensivstationen überfüllt sind.
Bereits heute sind COVID-19-Fälle meldepflichtig, und zwar sobald ein laborbestätigter Befund vorliegt. Neu ist, dass Krankenhäuser die stationäre Aufnahme von COVID-19-Patienten mit bereits vorliegender Diagnose erfassen und melden müssen. Dabei werden weitergehende Informationen wie Alter, Impfstatus und weitere Informationen erhoben. In den meisten europäischen Ländern ist dies bereits seit längerem der Fall; zusätzlich wird dort erfasst, wie viele Patienten an einem bestimmten Tag stationär behandelt werden. Dies ist bei uns derzeit nur für intensivmedizinisch behandelte COVID-19-Patienten der Fall und soll nach den mir vorliegenden Informationen auch zukünftig nicht der Fall sein (ebenso wenig wie eine patientengenaue Verknüpfung mit dem Intensivregister vorgesehen ist), weswegen für eine Übersicht zu den genutzten Kapazitäten auch weiterhin die Informationen fehlen werden. Insofern ist die geplante Meldung lediglich bei der stationären Aufnahme zwar einerseits für die Krankenhäuser leicht(er) zu erfüllen, zur zeitnahen Beantwortung weitergehender Fragen – etwa ‚um wieviel länger bleiben ältere Patienten im Vergleich zu jüngeren stationär?‘ oder ‚werden nicht geimpfte Personen häufiger intensivpflichtig?‘ – eignet sie sich aber nicht. Hier wird eine echte Reformchance vertan.
Bisher ließen sich viele derartige Fragen erst ex-post beantworten; derzeit werten wir zum Beispiel die vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) bis Ende Mai dieses Jahres erhobenen Daten aus und vergleichen sie mit denjenigen für das Jahr 2020, die seit Februar zur Verfügung standen. Wir können jetzt sehen, dass es zwischen Januar und Mai 2021 13 stationäre COVID-19-Fälle pro 100 laborpositive Fälle gab (227.000 Fälle bei 1,74 Millionen Infizierten), während es zwischen März und Dezember 2020 nur ziemlich genau 10 Prozent waren (172.000 Fälle von 1,76 Millionen). Auch der Prozentsatz der intensivmedizinisch behandelten Fälle als Anteil der stationär behandelten Fälle ist angestiegen. Andererseits sehen wir im Wochenverlauf, dass seit einigen Wochen Altersschnitt und Sterblichkeit der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Patienten gesunken ist. Hier wären jederzeit zeitnahe Daten extrem wertvoll. Wie sie sonst zur Lagebeurteilung dienen sollen, erschließt sich zumindest mir nicht.
Bereits in mehreren Kommentaren und Ausführungen, unter anderem auch bei Ihnen am SMC und auch in Stellungnahmen als Einzelsachverständiger des Bundestages im vergangenen November und Februar hatte ich bereits auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Bewertung der Pandemie nicht allein auf der Fallzahl aufzubauen [1][2][3][4][5].
Daher begrüße ich, dass es nun entsprechende Überlegungen in diese Richtung gibt. Bei jedem epidemischen Ereignis – nicht erst in der jetzigen Phase der Pandemie, gilt es die Maßnahmen und Strategien an dem Krankheitswert oder besser der Krankheitslast in der Bevölkerung auszurichten. Dies gilt nicht erst jetzt mit einer breiten Impfabdeckung.
„Die Hospitalisierung ist ein wertvoller zusätzlicher Indikator, aber wiederum auch nicht der einzige. Es gilt zu bedenken, dass der Grund für die stationäre Aufnahme (Hospitalisierung) gegebenenfalls eine andere Erkrankung ist, auch wenn zeitgleich eine Infektion nachgewiesen ist. Dies voneinander zu trennen, kann bei der Erfassung eine Herausforderung darstellen. Bei intensivmedizinischen Neuaufnahmen ist es dagegen sehr wahrscheinlich, dass sie nicht nur mit, sondern auch wegen der SARS-CoV-2-Infektionen erfolgt sind. Die SARS-CoV-2-bedingte Sterblichkeit bildet ebenfalls einen wichtigen Indikator. Wünschenswert wären zusätzlich andere Krankheitslast-Merkmale wie zum Beispiel die COVID-19-bedingte Arbeitsunfähigkeit, die jedoch in Deutschland nicht sehr zeitnah verfügbar ist. Wir sollten diese Unterschiede als Gesamtbild bewerten und sie stratifiziert nach Alter, Berufsgruppen und bestimmten Expositionen und Risikofaktoren betrachten, so dass wir unsere Maßnahmen ebenfalls entsprechend gezielt angelegen können.
Meldeinzidenzen für die Beurteilung der pandemischen Lage heranzuziehen war schon immer problematisch. Ihre Höhe hängt zum Beispiel stark von der verwendeten Teststrategie ab, und wird auch von Feiertagen und Ferienzeiten beeinflusst. Mit steigenden Impfquoten entkoppeln sich die Inzidenzen auch immer weiter von medizinisch relevanten Größen wie Sterblichkeit und Krankenhauseinweisungen. Dieser Effekt ist gerade in England zu beobachten, wo stark steigende Infektionszahlen aktuell mit einem vergleichsweise niedrigen Anstieg von Krankenhausbelegungen und Sterbefällen einhergehen. Von daher erscheint es auch in Deutschland sinnvoll, künftig detailliertere Daten aus Krankenhäusern bei der Beurteilung der pandemischen Lage zu berücksichtigen. Wichtig wird sein, dass diese Daten vollständig und zeitnah erhoben und zugänglich gemacht werden. Außerdem wird zu klären sein, wie genau diese Daten in eventuelle Entscheidungen zum Infektionsschutz einfließen sollen.
Durch die jetzt schon hohe Impfquote der über 60-Jährigen und hoffentlich bald auch der über 50-Jährigen Generation werden wir deutlich weniger Intensivpatienten mit COVID-19 sehen, selbst dann, wenn die Inzidenzen stark steigen in den jungen Altersgruppen. Das heißt, die Intensivbelegung und Neuaufnahmen bleiben zwar wichtig, aber sie werden durch den Schutz der vulnerablen Gruppen nicht mehr so stark und schnell steigen, sofern sich die vierte Welle nicht zu schnell aufbaut. Daher benötigen wir mehrere Parameter zur Einschätzung der aktuellen Situation. Ich plädiere ebenfalls sehr stark für einen Dreiklang aus Inzidenz (Infektionsdynamik), Intensivbelegung und -neuaufnahmen sowie Krankenhausneuaufnahmen. Dieser Dreiklang wird uns helfen die Situation präziser einschätzen zu können.
Die Datenerfassung erfolgt im Moment leider noch nicht automatisiert, das sollte aber unser Top-Ziel für die kommenden Monate sein. Die Innovationskraft der deutschen Medizintechnik ist gefragt, ad hoc Schnittstellen zu entwickeln, um Daten automatisiert aus Krankenhausinformationssystemen auszuleiten. Diese Daten sollten dann unabhängig von wirtschaftlichen Interessen zentral erfasst und öffentlich zugänglich gemacht werden. Wichtig ist insbesondere auch der Impfstatus, um zu sehen, ob sich die Impfwirkung abschwächt oder wie viele zivile non-Responder (Menschen, bei denen eine Impfung zu keiner und nur schwachen Immunität führt; Anm. d. Red.) es gibt, vor allem unter den vielen immunsupprimierten Patienten in Deutschland.
Eine ad hoc Umsetzung kann aktuell nur durch händische Eingabe erfolgen. Bei wenigen Patienten ist das kein Problem, bei einer erneuten Welle dann aber noch mehr Bürokratie für uns alle. Viele von uns [Krankenhausmitarbeiter] sind am Limit, was den bürokratischen Aufwand unseres Berufes betrifft. Daher müssen wir hier dringend automatisiert unterstützen. Ein Punkt, der nicht automatisiert erfassbar ist, ist die Einschätzung des behandelnden Arztes, ob der Patient wegen COVID-19 oder mit COVID-19 in die Klinik kommt. Zwei Beispiele: Luftnot bei COVID-19-Pneumonie oder aber gebrochenes Bein bei einem Kind, dass zufällig positiv ist für COVID-19 ohne respiratorische Symptome. Diese Einschätzung muss der behandelnde Arzt treffen.
Zusammenfassend ist der Dreiklang aus Inzidenz (Infektionsdynamik), Intensivbelegung und -neuaufnahmen und Krankenhausneuaufnahmen extrem wertvoll für den Herbst. Wir sollten zudem jetzt die Digitalisierung vorantreiben und den Weg zum gläsernen Krankenhaus ebnen.
Im Vordergrund der COVID-19-Pandemiebekämpfung steht es, schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern und dazu vor allem gefährdete Personen vor Infektionen zu schützen. Zudem soll die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung gesichert werden. Die Hospitalisierung von COVID-19-Patienten ist daher eine zentrale Zahl, um die aktuelle Schwere der Pandemie zu messen und die Auslastung des Gesundheitssystems zu beurteilen.
Die Zahl der Neuaufnahmen in Krankenhäusern ist zudem robuster gegenüber Änderungen der Teststrategie der Bevölkerung, das heißt, sie schwank nicht mit der Anzahl durchgeführter Tests, ganz im Gegensatz zu der 7-Tages Meldeinzidenz. Die Zahl der Hospitalisierungen steht daher in vielen Ländern längst im Vordergrund bei der Einschätzung des COVID-19-Pandemiegeschehens.
Zusätzliche Informationen zur Hospitalisierung wie etwa zu Alter, Impfstatus, Risikofaktoren und Stärke der Erkrankung helfen, die Situation genauer einzuschätzen und langfristigere Rückschlüsse zu ziehen.
Auf die Frage, ob die Zahl der Hospitalisierungen für die Beurteilung der pandemischen Lage genügt:
Das Pandemiegeschehen ist komplex und kann von einer Größe alleine nicht umfassend abgebildet werden. Neben der Zahl der neu hospitalisierten COVID-19-Erkrankten und der Zahl der COVID-19-Todesfälle ist das Infektionsgeschehen in den vulnerablen Gruppen wichtig. Dazu kann als erster Schritt schon heute mit geringem Aufwand die altersspezifische Meldeinzidenz in der älteren Bevölkerung (60+) betrachtet werden, da insbesondere die ältere Bevölkerung von einer starken Infektion besonders betroffen ist.
Um gezielt Maßnahmen treffen zu können, die höchste Wirksamkeit versprechen, sollte zudem das Ausbruchsgeschehen fortlaufend und systematisch untersucht werden und die Infektionssituation an den möglichen Infektionsorten wie Seniorenheime, Haushalte, Krankenhäuser, Arbeitsplätze, Kitas, Schulen und Universitäten systematisch und detailliert berichtet werden.