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Neue Indikatoren der COVID-19-Strategie für Herbst/Winter – Rapid Reaction

Neue Indikatoren der COVID-19-Strategie für Herbst/Winter – Rapid Reaction

This article was published on
September 17, 2021

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Das Robert Koch-Institut hat diese Woche seine Strategie zum Umgang mit der COVID-19-Pandemie für den kommenden Herbst und Winter aktualisiert. Darin führt es auch ein neues Paket an Indikatoren ein, anhand derer die aktuelle Lage in drei Stufen – Basisstufe, Stufe 1 und Stufe 2 – eingeteilt, bewertet und in der Folge Maßnahmen angepasst werden sollen. Vor allem diese Indikatoren sind Gegenstand näherer Betrachtung in diesem SMC-Angebot und werden durch Fachleute bewertet; auch eine kurze Einschätzung der Lage findet Platz. Das Robert Koch-Institut setzt in seiner Strategie weiter auf die Einhaltung von klassischen individuellen Maßnahmen zur Eindämmung: Alle Menschen – also auch Geimpfte und Genesene – sollen sich in allen Lebensbereichen auch in der Basisstufe der Strategie weiter an Regeln wie Abstand halten, Masken tragen und Lüften halten. Ungeimpfte sollen sich in allen Settings schon auf dieser Stufe testen lassen. Mit höheren Stufen kommen vor allem in Bereichen mit Personen mit hohem Risiko weitere verschärfende Maßnahmen hinzu. In der höchsten Stufe 2 findet dann die 2G-Regel mehr Anwendung, also Zugang nur für Geimpfte oder Genesene. Das Strategiepapier ist ein Vorschlag des RKI, wie die einzelnen Bundesländer die Coronaschutzverordnungen ausgestalten können. Die Pandemie soll in Deutschland dem Plan zufolge also weiterhin durch Maßnahmen unter Kontrolle gehalten werden, allerdings eher mit individuellen Maßnahmen als mit Schließungen von Einrichtungen oder Einschränkungen ganzer Gesellschaftsbereiche. Andere Länder heben bereits alle Restriktionen auf, wie beispielsweise Dänemark, das Vereinigte Königreich und die Niederlande. Die Indikatoren: Zur Beurteilung der Pandemielage auf Bundesländerebene sollen zukünftig drei Indikatoren herangezogen werden: die Inzidenz, die Hospitalisierungsinzidenz und die durch COVID-19 gebundene Kapazität der Intensivstationen in Prozent. Für einen Wechsel in eine höhere Gefährdungs- und damit Maßnahmenstufe müssen bei zwei der drei tagesaktuellen Indikatoren die jeweiligen Grenzwerte an drei aufeinanderfolgenden Tagen überschritten werden. Das SMC hat die aktuelle Lage in den einzelnen Bundesländern anhand der Indikatorik des RKI folgend aufgeschlüsselt (siehe Tabelle im Corona Report vom 15.09.2021). Die Werte gibt das RKI mittlerweile von Montag bis Freitag aktualisiert in einem eigenen Dashboard tagesaktuell an. Bei ihrer Betrachtung sind gewisse Muster zu beobachten: Bei der aktuellen Teststrategie sollte immer zuerst die Inzidenz den Grenzwert zur nächsten Stufe übersteigen. Erst eine deutlich höhere Dunkelziffer oder ein geändertes Verhältnis zwischen Inzidenz und Hospitalisierung würde dazu führen, dass zuerst einer der anderen beiden Parameter den Grenzwert zur nächsten Stufe erreicht. In den meisten Fällen überschreitet nach der Inzidenz wahrscheinlich die Auslastung der Intensivstationen den Grenzwert, sodass die nächste Maßnahmenstufe ausgelöst würde. Die vom RKI vorgeschlagene tagesaktuelle Betrachtung der Werte verursacht allerdings große Probleme durch den Meldeverzug bei der Inzidenz, vor allem bei der Hospitalisierungsinzidenz. Letzterer Wert ist an das Meldedatum geknüpft – die Hospitalisierungsinzidenz liegt somit tagesaktuell viel niedriger als in der Realität. Das RKI scheint die Grenzwerte im Strategiepapier also auf der Basis der Werte ohne Nachmeldungen und damit eher niedrig gewählt zu haben, damit der Indikator die Situation adäquat anzeigen kann. Sollte es in den Bundesländern unterschiedlich starken Meldeverzug geben, müssen die Grenzwerte für das jeweilige Bundesland entsprechend angepasst werden. Einige Bundesländer nutzen für ihre Regeln Daten aus anderen Quellen, um die tagesaktuelle Situation genauer zu schätzen. Beim Vergleich der Grenzwerte in den verschiedenen Ländern muss darauf geachtet werden, dass die Grenzwerte je nach Datenquelle unterschiedlich hoch ausfallen und trotzdem qualitativ das gleiche Geschehen beschreiben können: Werden Krankenhauseinweisungen beispielsweise schnell erfasst und regional tagesaktuell abgebildet, spiegelt ein relativ zum RKI-Wert höherer Grenzwert eventuell die gleiche Grenze wider. Wie sinnvoll die vom RKI gewählten Indikatoren und die Höhe der Grenzwerte auch mit Blick auf die aktuelle COVID-19-Lage in Deutschland sind und was in den Meldewegen und ihrer Darstellung noch verbessert werden müsste, schätzen Fachleute nachfolgend ein.

Das Robert Koch-Institut hat diese Woche seine Strategie zum Umgang mit der COVID-19-Pandemie für den kommenden Herbst und Winter aktualisiert. Darin führt es auch ein neues Paket an Indikatoren ein, anhand derer die aktuelle Lage in drei Stufen – Basisstufe, Stufe 1 und Stufe 2 – eingeteilt, bewertet und in der Folge Maßnahmen angepasst werden sollen. Vor allem diese Indikatoren sind Gegenstand näherer Betrachtung in diesem SMC-Angebot und werden durch Fachleute bewertet; auch eine kurze Einschätzung der Lage findet Platz. Das Robert Koch-Institut setzt in seiner Strategie weiter auf die Einhaltung von klassischen individuellen Maßnahmen zur Eindämmung: Alle Menschen – also auch Geimpfte und Genesene – sollen sich in allen Lebensbereichen auch in der Basisstufe der Strategie weiter an Regeln wie Abstand halten, Masken tragen und Lüften halten. Ungeimpfte sollen sich in allen Settings schon auf dieser Stufe testen lassen. Mit höheren Stufen kommen vor allem in Bereichen mit Personen mit hohem Risiko weitere verschärfende Maßnahmen hinzu. In der höchsten Stufe 2 findet dann die 2G-Regel mehr Anwendung, also Zugang nur für Geimpfte oder Genesene. Das Strategiepapier ist ein Vorschlag des RKI, wie die einzelnen Bundesländer die Coronaschutzverordnungen ausgestalten können. Die Pandemie soll in Deutschland dem Plan zufolge also weiterhin durch Maßnahmen unter Kontrolle gehalten werden, allerdings eher mit individuellen Maßnahmen als mit Schließungen von Einrichtungen oder Einschränkungen ganzer Gesellschaftsbereiche. Andere Länder heben bereits alle Restriktionen auf, wie beispielsweise Dänemark, das Vereinigte Königreich und die Niederlande. Die Indikatoren: Zur Beurteilung der Pandemielage auf Bundesländerebene sollen zukünftig drei Indikatoren herangezogen werden: die Inzidenz, die Hospitalisierungsinzidenz und die durch COVID-19 gebundene Kapazität der Intensivstationen in Prozent. Für einen Wechsel in eine höhere Gefährdungs- und damit Maßnahmenstufe müssen bei zwei der drei tagesaktuellen Indikatoren die jeweiligen Grenzwerte an drei aufeinanderfolgenden Tagen überschritten werden. Das SMC hat die aktuelle Lage in den einzelnen Bundesländern anhand der Indikatorik des RKI folgend aufgeschlüsselt (siehe Tabelle im Corona Report vom 15.09.2021). Die Werte gibt das RKI mittlerweile von Montag bis Freitag aktualisiert in einem eigenen Dashboard tagesaktuell an. Bei ihrer Betrachtung sind gewisse Muster zu beobachten: Bei der aktuellen Teststrategie sollte immer zuerst die Inzidenz den Grenzwert zur nächsten Stufe übersteigen. Erst eine deutlich höhere Dunkelziffer oder ein geändertes Verhältnis zwischen Inzidenz und Hospitalisierung würde dazu führen, dass zuerst einer der anderen beiden Parameter den Grenzwert zur nächsten Stufe erreicht. In den meisten Fällen überschreitet nach der Inzidenz wahrscheinlich die Auslastung der Intensivstationen den Grenzwert, sodass die nächste Maßnahmenstufe ausgelöst würde. Die vom RKI vorgeschlagene tagesaktuelle Betrachtung der Werte verursacht allerdings große Probleme durch den Meldeverzug bei der Inzidenz, vor allem bei der Hospitalisierungsinzidenz. Letzterer Wert ist an das Meldedatum geknüpft – die Hospitalisierungsinzidenz liegt somit tagesaktuell viel niedriger als in der Realität. Das RKI scheint die Grenzwerte im Strategiepapier also auf der Basis der Werte ohne Nachmeldungen und damit eher niedrig gewählt zu haben, damit der Indikator die Situation adäquat anzeigen kann. Sollte es in den Bundesländern unterschiedlich starken Meldeverzug geben, müssen die Grenzwerte für das jeweilige Bundesland entsprechend angepasst werden. Einige Bundesländer nutzen für ihre Regeln Daten aus anderen Quellen, um die tagesaktuelle Situation genauer zu schätzen. Beim Vergleich der Grenzwerte in den verschiedenen Ländern muss darauf geachtet werden, dass die Grenzwerte je nach Datenquelle unterschiedlich hoch ausfallen und trotzdem qualitativ das gleiche Geschehen beschreiben können: Werden Krankenhauseinweisungen beispielsweise schnell erfasst und regional tagesaktuell abgebildet, spiegelt ein relativ zum RKI-Wert höherer Grenzwert eventuell die gleiche Grenze wider. Wie sinnvoll die vom RKI gewählten Indikatoren und die Höhe der Grenzwerte auch mit Blick auf die aktuelle COVID-19-Lage in Deutschland sind und was in den Meldewegen und ihrer Darstellung noch verbessert werden müsste, schätzen Fachleute nachfolgend ein.

Publication

Aktualisierung der ControlCOVID-Strategie zur Vorbereitung auf den Herbst/Winter 2021/22

Not peer-reviewed
This work has not been scrutinised by independent experts, or the story does not contain research data to review (for example an opinion piece). If you are reporting on research that has yet to go through peer-review (eg. conference abstracts and preprints) be aware that the findings can change during the peer review process
Peer-reviewed
This work was reviewed and scrutinised by relevant independent experts.

Neutralizing antibody levels are highly predictive of immune protection from symptomatic SARS-CoV-2 infection

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What our experts say

Context and background

Resources

Prof. Dr. Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation, Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS), Bremen

Prof. Dr. Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin

Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Leitender Oberarzt und Leiter des ECMO-Zentrums sowie Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin, Klinikum Köln-Merheim

Statements

Prof. Dr. Hajo Zeeb,
Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation, Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS), Bremen

„Die Modellierungen des Robert Koch-Instituts und anderer zeigen klar, dass bei Beendigung aller Schutzmaßnahmen eine ganz erhebliche Zunahme der Infektionen mit den bekannten Folgen für Erkrankte und das Gesundheitssystem anstehen würde – die Impfquote ist noch zu niedrig, um dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verhindern. Es geht nun um die richtige Balance zwischen Beibehaltung von Maßnahmen und Rückkehr zum Alltag. Viele der vom RKI angesprochenen Maßnahmen wie das digitale Arbeiten und geringere Reisetätigkeit sind mittlerweile akzeptiert und meist auch gut umsetzbar, andererseits ist nun auch klar, dass wir in eine Corona-Endemie übergehen werden, also Corona nicht gänzlich verdrängen können. Insofern erscheint die RKI-Strategie – auch im Vergleich zu umliegenden Ländern wie dem Vereinigten Königreich und Dänemark – an einigen Stellen besonders vorsichtig, etwa wenn es um Zusammenkünfte von geimpften oder genesenen Personen geht.“

„Die Orientierung an den genannten drei Parametern erscheint grundsätzlich sinnvoll, allerdings müssen für das Funktionieren die entsprechenden Daten vorliegen. Und das ist gerade bei den Hospitalisierungszahlen noch nicht gesichert, zumindest aufgrund des Meldeverzugs nicht tagesaktuell. Die vorgeschlagenen Grenzen sind als erfahrungsbasiert einzuordnen, aus den Beobachtungen des vergangenen Jahres.“

„Für das differenzierte Pandemiemanagement ist eine nach Alter und, wo möglich, nach Impfstatus strukturierte Datenbasis sinnvoll. Die jetzigen Indikatoren in ihrer Mischung von Inzidenz und Versorgungsdaten sind geeignet. Bei zunehmender direkter oder indirekter Sanktionierung Ungeimpfter und kostenpflichtigen Tests wird gegebenenfalls erneut über ergänzende Zufallsstichproben in der Gesamtbevölkerung – geimpft und ungeimpft – nachzudenken sein.“

„Allgemein ergänzend: Von entscheidender Bedeutung bleibt die Impfquote. Spanien und Portugal sind gute Beispiele, nun auch Frankreich. Je höher die Quote ist, desto unproblematischer der Verzicht auf andere Maßnahmen. Und so sollte eine Impfstrategie – angepasst auf die jetzt noch verbleibende Gruppe der Ungeimpften – wichtigster Bestandteil aller Strategien sein.“


Prof. Dr. Reinhard Busse,
Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin

„Das RKI-Strategiepapier besteht ja derzeit (noch) aus zwei nur unzureichend verbundenen Abschnitten, nämlich den zum Teil übertrieben ausführlich dargestellten Maßnahmen auf den Seiten eins bis sieben und den zwei letzten Seiten zu Indikatoren und dem Stufenkonzept. Bezüglich des letzten Abschnitts vermisse ich eine klarere Reflektion, dass die Messung und Darstellung von Indikatoren ja nicht nur den Zweck hat, Stufen zu ermitteln (die dann der Umsetzung von präventiven Maßnahmen dienen), sondern auch der Information dient – und insbesondere der Motivation zur präventivsten Maßnahme überhaupt, nämlich der Impfung. Hierzu wäre es sinnvoll, Inzidenzen beziehungsweise Prozente nicht nur für die Gesamtbevölkerung zu präsentieren, sondern für Geimpfte und Nicht-Geimpfte getrennt, wie ich es mit beispielhaften Daten zur veranschaulicht habe. Auch die längsschnittliche Darstellung könnte so erfolgen (beispielsweise wie beim CDC [1], Abbildung 2).“

„Bevor man sich der Frage der Grenzwerte zuwendet, sollte man die Indikatoren an sich anschauen: Die Inzidenz und die Hospitalisierungsinzidenz sind beide bezogen auf die Bevölkerung und daher gute Indikatoren zur Beschreibung der Krankheitslast durch COVID-19. Der dritte Parameter, der Prozentsatz der Intensivauslastung durch COVID-19-Patienten, leidet dagegen darunter, dass sein Nenner nicht nur von der Krankheitslast beeinflusst wird, sondern auch von der von den Krankenhäusern als betreibbar gemeldeten Zahl an Intensivbetten, die auch von der Anzahl des eingeteilten Personals abhängt. Bei Stadtstaaten kommt der Mitversorgungseffekt für die umliegenden Regionen und Bundesländer hinzu, der den Wert höher macht, als es die COVID-19-Krankheitslast im Stadtstaat erklärt. Insofern wäre auch bei der intensivmedizinischen Belastung ein Bevölkerungsbezug zu empfehlen – entweder auch als Aufnahmeinzidenz, das heißt, wie viele COVID-19-Patienten pro 100000 Einwohner pro sieben Tage neu auf die Intensivstation aufgenommen werden oder als Prävalenz, das heißt, wie viele COVID-19-Patienten pro 100000 derzeit intensivmedizinisch behandelt werden; dies wird vom RKI auch berichtet.

„Als Nächstes ist festzustellen, dass die drei Werte – Inzidenz, Hospitalisierung, Intensivbehandlung – zusammenhängen, sich dieser Zusammenhang aber insbesondere durch den inzwischen erreichten Impfschutz deutlich geändert hat. Auf dem Höhepunkt der ersten Welle wurden fast 20 Prozent der Infizierten hospitalisiert und von diesen wiederum etwas über 20 Prozent auch auf einer Intensivstation behandelt, wo diese im Schnitt neun Tage lagen. Daraus ergab sich: Auf 100 Infizierte kamen 16 Hospitalisierungen und 5 belegte intensivmedizinische Betten. Bei der zweiten und dritten Welle ging die Hospitalisierungsrate auf unter zehn Prozent zurück, davon wurden allerdings mehr Personen intensivmedizinisch behandelt, sodass der Zusammenhang etwa war: auf 100 Infizierte kamen 9 Hospitalisierungen und 4 Intensivbehandlungen.“

„Derzeit ist die Hospitalisierungsrate der Infizierten noch einmal um den Faktor zwei gesunken und liegt bei unter fünf Prozent. Von diesen werden dann prozentual etwa gleich viele intensivpflichtig (bei aller Vorsicht dieser Aussage wegen des Zeitverzugs), sodass der Zusammenhang sich derzeit wie folgt darstellt: Von 100 Infizierten kommen 4 ins Krankenhaus und 2 auf die Intensivstation. Insofern hängen die Parameter zusammen und bräuchten, wenn sich das Verhältnis auf neuem Niveau stabilisiert, auch nicht getrennt berechnet werden.“

„Vorgeschlagen – und von vielen Bundesländern schon benutzt – wird aber die Intensivbettenaus­lastung. Bei, sagen wir, 25000 Intensivbetten (circa 30 pro 100000 Einwohner in Deutschland) werden derzeit aus 2 pro 100000 belegten Betten ungefähr 7 Prozent Auslastung (erste Welle 5 pro 100.000 Einwohner zu 16 Prozent; zweite/dritte Welle 4 pro 100000 Einwohner zu 13 Prozent). Das RKI scheint sich bei den Grenzwerten für die Intensivbettenauslastung als Indikator an der Größenordnung der zweiten und dritten Welle orientiert zu haben. Beim jetzigen Verhältnis ist davon auszugehen, dass der Inzidenzindikator deutlich früher anschlagen wird als der Intensivindikator; auch der Hospitalisierungsindikator ist gegenüber der Inzidenz niedriger skaliert, schlägt also später an, und bei Berücksichtigung der Meldeverzögerungen sogar noch um einiges später.“

„Ein weiteres Problem dürfte – insbesondere bei der Kommunikation mit den Bürgern – darin liegen, dass die Grenzwerte für die drei Indikatoren in allen Bundesländern variieren, wie eine weitere von mir zusammengestellte Tabelle zeigt (Tabelle 2 in diesem Dokument). So liegt zum Beispiel der Grenzwert zur höchsten Stufe bei der Hospitalisierungsinzidenz in Rheinland-Pfalz doppelt so hoch wie beim RKI, in Brandenburg, Niedersachsen und Thüringen zweieinhalbmal so hoch und in Mecklenburg-Vorpommern sogar fünfmal so hoch. Allerdings liegt der RKI-Wert ja auch unter der Hospitalisierungsinzidenz beim Schlaganfall von 6 pro 100000 Einwohner pro sieben Tage (siehe Fußnote an Tabelle 2). Bei der Intensivauslastung variiert die Grenze zwischen niedrig und erhöht zwischen drei Prozent beim RKI und zehn Prozent in Brandenburg.“


Prof. Dr. Christian Karagiannidis,
Leitender Oberarzt und Leiter des ECMO-Zentrums sowie Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin, Klinikum Köln-Merheim

„Ich habe sehr häufig schon dafür plädiert, den Dreiklang aus Inzidenz, Hospitalisierungsrate und Intensivbelegung mit COVID-19 zu nutzen. Das macht es robust und umfasst von der Frühwarnung bis zu schweren Verläufen alle relevanten Punkte. Die Hospitalisierungsrate ist der schwierigste Indikator.“

„Wir müssen uns der Versorgungsrealität eines Krankenhauses stellen. Das ist vielen nicht klar: In der Intensivmedizin kann ich verlangen, dass einmal pro Tag die Lage im Register abgebildet wird. Dort beschäftigt man sich wirklich intensiv mit den Patienten und hat auch die Aufmerksamkeit und Personalausstattung dafür. Die Hospitalisierung soll per Verordnung gemeldet werden. Das bedeutet in der Versorgungsrealität, dass ein Patient ins Krankenhaus kommt, der aufnehmende Arzt in erster Linie mit diesem Patienten beschäftigt ist, so wie mit vielen anderen auch. Das Letzte, wirklich Allerletzte ist es, im extrem stressigen Alltag zwei DIN-A4-Seiten auszufüllen und ans Gesundheitsamt zu faxen, inklusive der Verlegung auf die Intensivstation und der Überprüfung des Impfstatus. Ständiges Ausfüllen von Dokumenten in einem Klinikalltag, der keine Zeit lässt. Diese Meldung ist gravierend anders als das Intensivregister, wo Sie bis ins Detail fragen können und sehr vailde Daten bekommen.“

„Diese Versorgungsrealität müssen wir bei der Hospitalisierungsrate einbeziehen. Daher ist die Datenqualität bei den Inzidenzwerten und der Intensivbelegung extrem gut, und bei der Hospitalisierung deutlich ausbaufähig. Der Weg kann in meinen Augen nur über automatisierte Datenexporte erfolgen und nicht über den Assistenzarzt, der nachts um 3 Uhr ein Fax an das Gesundheitsamt schickt. Das funktioniert einfach nicht gut.“

Prof. Dr. Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation, Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS), Bremen

Prof. Dr. Reinhard Busse, Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin

Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Leitender Oberarzt und Leiter des ECMO-Zentrums sowie Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin, Klinikum Köln-Merheim

Statements

Prof. Dr. Hajo Zeeb,
Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation, Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS), Bremen

„Die Modellierungen des Robert Koch-Instituts und anderer zeigen klar, dass bei Beendigung aller Schutzmaßnahmen eine ganz erhebliche Zunahme der Infektionen mit den bekannten Folgen für Erkrankte und das Gesundheitssystem anstehen würde – die Impfquote ist noch zu niedrig, um dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verhindern. Es geht nun um die richtige Balance zwischen Beibehaltung von Maßnahmen und Rückkehr zum Alltag. Viele der vom RKI angesprochenen Maßnahmen wie das digitale Arbeiten und geringere Reisetätigkeit sind mittlerweile akzeptiert und meist auch gut umsetzbar, andererseits ist nun auch klar, dass wir in eine Corona-Endemie übergehen werden, also Corona nicht gänzlich verdrängen können. Insofern erscheint die RKI-Strategie – auch im Vergleich zu umliegenden Ländern wie dem Vereinigten Königreich und Dänemark – an einigen Stellen besonders vorsichtig, etwa wenn es um Zusammenkünfte von geimpften oder genesenen Personen geht.“

„Die Orientierung an den genannten drei Parametern erscheint grundsätzlich sinnvoll, allerdings müssen für das Funktionieren die entsprechenden Daten vorliegen. Und das ist gerade bei den Hospitalisierungszahlen noch nicht gesichert, zumindest aufgrund des Meldeverzugs nicht tagesaktuell. Die vorgeschlagenen Grenzen sind als erfahrungsbasiert einzuordnen, aus den Beobachtungen des vergangenen Jahres.“

„Für das differenzierte Pandemiemanagement ist eine nach Alter und, wo möglich, nach Impfstatus strukturierte Datenbasis sinnvoll. Die jetzigen Indikatoren in ihrer Mischung von Inzidenz und Versorgungsdaten sind geeignet. Bei zunehmender direkter oder indirekter Sanktionierung Ungeimpfter und kostenpflichtigen Tests wird gegebenenfalls erneut über ergänzende Zufallsstichproben in der Gesamtbevölkerung – geimpft und ungeimpft – nachzudenken sein.“

„Allgemein ergänzend: Von entscheidender Bedeutung bleibt die Impfquote. Spanien und Portugal sind gute Beispiele, nun auch Frankreich. Je höher die Quote ist, desto unproblematischer der Verzicht auf andere Maßnahmen. Und so sollte eine Impfstrategie – angepasst auf die jetzt noch verbleibende Gruppe der Ungeimpften – wichtigster Bestandteil aller Strategien sein.“


Prof. Dr. Reinhard Busse,
Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin

„Das RKI-Strategiepapier besteht ja derzeit (noch) aus zwei nur unzureichend verbundenen Abschnitten, nämlich den zum Teil übertrieben ausführlich dargestellten Maßnahmen auf den Seiten eins bis sieben und den zwei letzten Seiten zu Indikatoren und dem Stufenkonzept. Bezüglich des letzten Abschnitts vermisse ich eine klarere Reflektion, dass die Messung und Darstellung von Indikatoren ja nicht nur den Zweck hat, Stufen zu ermitteln (die dann der Umsetzung von präventiven Maßnahmen dienen), sondern auch der Information dient – und insbesondere der Motivation zur präventivsten Maßnahme überhaupt, nämlich der Impfung. Hierzu wäre es sinnvoll, Inzidenzen beziehungsweise Prozente nicht nur für die Gesamtbevölkerung zu präsentieren, sondern für Geimpfte und Nicht-Geimpfte getrennt, wie ich es mit beispielhaften Daten zur veranschaulicht habe. Auch die längsschnittliche Darstellung könnte so erfolgen (beispielsweise wie beim CDC [1], Abbildung 2).“

„Bevor man sich der Frage der Grenzwerte zuwendet, sollte man die Indikatoren an sich anschauen: Die Inzidenz und die Hospitalisierungsinzidenz sind beide bezogen auf die Bevölkerung und daher gute Indikatoren zur Beschreibung der Krankheitslast durch COVID-19. Der dritte Parameter, der Prozentsatz der Intensivauslastung durch COVID-19-Patienten, leidet dagegen darunter, dass sein Nenner nicht nur von der Krankheitslast beeinflusst wird, sondern auch von der von den Krankenhäusern als betreibbar gemeldeten Zahl an Intensivbetten, die auch von der Anzahl des eingeteilten Personals abhängt. Bei Stadtstaaten kommt der Mitversorgungseffekt für die umliegenden Regionen und Bundesländer hinzu, der den Wert höher macht, als es die COVID-19-Krankheitslast im Stadtstaat erklärt. Insofern wäre auch bei der intensivmedizinischen Belastung ein Bevölkerungsbezug zu empfehlen – entweder auch als Aufnahmeinzidenz, das heißt, wie viele COVID-19-Patienten pro 100000 Einwohner pro sieben Tage neu auf die Intensivstation aufgenommen werden oder als Prävalenz, das heißt, wie viele COVID-19-Patienten pro 100000 derzeit intensivmedizinisch behandelt werden; dies wird vom RKI auch berichtet.

„Als Nächstes ist festzustellen, dass die drei Werte – Inzidenz, Hospitalisierung, Intensivbehandlung – zusammenhängen, sich dieser Zusammenhang aber insbesondere durch den inzwischen erreichten Impfschutz deutlich geändert hat. Auf dem Höhepunkt der ersten Welle wurden fast 20 Prozent der Infizierten hospitalisiert und von diesen wiederum etwas über 20 Prozent auch auf einer Intensivstation behandelt, wo diese im Schnitt neun Tage lagen. Daraus ergab sich: Auf 100 Infizierte kamen 16 Hospitalisierungen und 5 belegte intensivmedizinische Betten. Bei der zweiten und dritten Welle ging die Hospitalisierungsrate auf unter zehn Prozent zurück, davon wurden allerdings mehr Personen intensivmedizinisch behandelt, sodass der Zusammenhang etwa war: auf 100 Infizierte kamen 9 Hospitalisierungen und 4 Intensivbehandlungen.“

„Derzeit ist die Hospitalisierungsrate der Infizierten noch einmal um den Faktor zwei gesunken und liegt bei unter fünf Prozent. Von diesen werden dann prozentual etwa gleich viele intensivpflichtig (bei aller Vorsicht dieser Aussage wegen des Zeitverzugs), sodass der Zusammenhang sich derzeit wie folgt darstellt: Von 100 Infizierten kommen 4 ins Krankenhaus und 2 auf die Intensivstation. Insofern hängen die Parameter zusammen und bräuchten, wenn sich das Verhältnis auf neuem Niveau stabilisiert, auch nicht getrennt berechnet werden.“

„Vorgeschlagen – und von vielen Bundesländern schon benutzt – wird aber die Intensivbettenaus­lastung. Bei, sagen wir, 25000 Intensivbetten (circa 30 pro 100000 Einwohner in Deutschland) werden derzeit aus 2 pro 100000 belegten Betten ungefähr 7 Prozent Auslastung (erste Welle 5 pro 100.000 Einwohner zu 16 Prozent; zweite/dritte Welle 4 pro 100000 Einwohner zu 13 Prozent). Das RKI scheint sich bei den Grenzwerten für die Intensivbettenauslastung als Indikator an der Größenordnung der zweiten und dritten Welle orientiert zu haben. Beim jetzigen Verhältnis ist davon auszugehen, dass der Inzidenzindikator deutlich früher anschlagen wird als der Intensivindikator; auch der Hospitalisierungsindikator ist gegenüber der Inzidenz niedriger skaliert, schlägt also später an, und bei Berücksichtigung der Meldeverzögerungen sogar noch um einiges später.“

„Ein weiteres Problem dürfte – insbesondere bei der Kommunikation mit den Bürgern – darin liegen, dass die Grenzwerte für die drei Indikatoren in allen Bundesländern variieren, wie eine weitere von mir zusammengestellte Tabelle zeigt (Tabelle 2 in diesem Dokument). So liegt zum Beispiel der Grenzwert zur höchsten Stufe bei der Hospitalisierungsinzidenz in Rheinland-Pfalz doppelt so hoch wie beim RKI, in Brandenburg, Niedersachsen und Thüringen zweieinhalbmal so hoch und in Mecklenburg-Vorpommern sogar fünfmal so hoch. Allerdings liegt der RKI-Wert ja auch unter der Hospitalisierungsinzidenz beim Schlaganfall von 6 pro 100000 Einwohner pro sieben Tage (siehe Fußnote an Tabelle 2). Bei der Intensivauslastung variiert die Grenze zwischen niedrig und erhöht zwischen drei Prozent beim RKI und zehn Prozent in Brandenburg.“


Prof. Dr. Christian Karagiannidis,
Leitender Oberarzt und Leiter des ECMO-Zentrums sowie Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin, Klinikum Köln-Merheim

„Ich habe sehr häufig schon dafür plädiert, den Dreiklang aus Inzidenz, Hospitalisierungsrate und Intensivbelegung mit COVID-19 zu nutzen. Das macht es robust und umfasst von der Frühwarnung bis zu schweren Verläufen alle relevanten Punkte. Die Hospitalisierungsrate ist der schwierigste Indikator.“

„Wir müssen uns der Versorgungsrealität eines Krankenhauses stellen. Das ist vielen nicht klar: In der Intensivmedizin kann ich verlangen, dass einmal pro Tag die Lage im Register abgebildet wird. Dort beschäftigt man sich wirklich intensiv mit den Patienten und hat auch die Aufmerksamkeit und Personalausstattung dafür. Die Hospitalisierung soll per Verordnung gemeldet werden. Das bedeutet in der Versorgungsrealität, dass ein Patient ins Krankenhaus kommt, der aufnehmende Arzt in erster Linie mit diesem Patienten beschäftigt ist, so wie mit vielen anderen auch. Das Letzte, wirklich Allerletzte ist es, im extrem stressigen Alltag zwei DIN-A4-Seiten auszufüllen und ans Gesundheitsamt zu faxen, inklusive der Verlegung auf die Intensivstation und der Überprüfung des Impfstatus. Ständiges Ausfüllen von Dokumenten in einem Klinikalltag, der keine Zeit lässt. Diese Meldung ist gravierend anders als das Intensivregister, wo Sie bis ins Detail fragen können und sehr vailde Daten bekommen.“

„Diese Versorgungsrealität müssen wir bei der Hospitalisierungsrate einbeziehen. Daher ist die Datenqualität bei den Inzidenzwerten und der Intensivbelegung extrem gut, und bei der Hospitalisierung deutlich ausbaufähig. Der Weg kann in meinen Augen nur über automatisierte Datenexporte erfolgen und nicht über den Assistenzarzt, der nachts um 3 Uhr ein Fax an das Gesundheitsamt schickt. Das funktioniert einfach nicht gut.“

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