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Die SARS-CoV-2-Variante B.1.617, die sich derzeit stark in Indien verbreitet, kann durch Blutseren von genesenen COVID-19-Patienten und Blutseren von Geimpften neutralisiert werden. Diese Analyse haben indische Forschende in einer noch nicht begutachteten Vorabpublikation auf dem Preprint-Server bioRxiv veröffentlicht (siehe Primärquelle). Wir haben Wissenschaftler und Wissenschlaftlerinnen gefragt, inwiefern diese Studie zur Bewertung der Virusvariante beiträgt und inwiefern sie Rückschlüsse auf das Infektionsgeschen in Indien erlaubt. (siehe Primärquelle)
Die SARS-CoV-2-Variante B.1.617, die sich derzeit stark in Indien verbreitet, kann durch Blutseren von genesenen COVID-19-Patienten und Blutseren von Geimpften neutralisiert werden. Diese Analyse haben indische Forschende in einer noch nicht begutachteten Vorabpublikation auf dem Preprint-Server bioRxiv veröffentlicht (siehe Primärquelle). Wir haben Wissenschaftler und Wissenschlaftlerinnen gefragt, inwiefern diese Studie zur Bewertung der Virusvariante beiträgt und inwiefern sie Rückschlüsse auf das Infektionsgeschen in Indien erlaubt. (siehe Primärquelle)
Wir haben Wissenschaftler und Wissenschlaftlerinnen gefragt, inwiefern diese Studie zur Bewertung der Virusvariante beiträgt und inwiefern sie Rückschlüsse auf das Infektionsgeschen in Indien erlaubt.
Wir haben Wissenschaftler und Wissenschlaftlerinnen gefragt, inwiefern diese Studie zur Bewertung der Virusvariante beiträgt und inwiefern sie Rückschlüsse auf das Infektionsgeschen in Indien erlaubt.
Seit Tagen wird international beobachtet, wie eine zweite SARS-CoV-2-Infektionswelle Indien überrollt und das dortige Gesundheitssystem über seine Grenzen hinaus belastet. Im Zuge dieser Infektionswelle identifizierten Forschende die neue Virusvariante B.1.617, die sich neben anderen Virusvarianten wie B.1.1.7 stark verbreitet. Diese Variante besitzt Mutationen an drei strukturell wichtigen Stellen (L452R, E484Q und P681R), die womöglich die Eigenschaften des Virus beeinflussen können. Sie führen zu einem Austausch von Aminosäuren in der Proteinsequenz des Spike-Proteins, das sich an der Oberfläche des Virus befindet und die Bindung des Virus an die menschliche Zelle ermöglicht. Inwiefern diese Veränderungen tatsächlich zu einem Entkommen der Immunantwort oder zu einer leichteren Übertragung des Virus beitragen, ist noch nicht geklärt.
In der Studie verglichen die Forschenden die neutralisierende Wirkung von Blutseren gegen B.1.617, B.1.1.7 und die Virusvariante B1, die zu Beginn der Pandemie stark zirkulierte. Alle drei Varianten konnten mit den Blutseren von COVID-19-Genesenen und Blutseren von geimpften Personen, die mit dem indischen Impfstoff Covaxin immunisiert worden waren, neutralisiert werden. Allerdings war die Neutralisationswirkung gegen B.1.617 etwas schwächer als gegen die beiden anderen Varianten, was auf einen partielles Entkommen der Immunantwort hinweist.
Zurzeit fehlen harte Daten, dass B.1.617 ein verändertes Verhalten wie erhöhte Infektiosität, geänderten Krankheitsverlauf oder auch immune escape (ein Entkommen der Immunantwort, indem zum Beispiel einige Antikörper nicht mehr binden können; Anm. d. Red.) im Vergleich zur Normvariante (ursprüngliche, zu Beginn der Pandemie zirkulierende SARS-CoV-2-Variante; Anm. d. Red.) aufweist. Dazu benötigt es detaillierte epidemiologische Daten von größeren Kohorten und weitere Tests im Labor. Der erwähnte Preprint deutet darauf hin, dass Impfseren nach Impfung mit dem indischen Totimpfstoff Covaxin (BBV152) kaum einen Abfall an Neutralisation gegenüber B.1.617 aufweisen, das heißt, die Wirkung weiterhin gegeben ist. Gleichzeitig sind die Daten in diesem Preprint sehr spärlich und schließen keine in Europa gebräuchlichen Impfstoffe ein.
Auf die Frage, ob sich aus den Mutationen in der Variante und Ähnlichkeiten zu den anderen bekannten Varianten wie B.1.1.7 Aussagen über ihr Verhalten, mögliche Immune Escapes und die Übertragbarkeit ableiten lassen:
„Ich wäre da anhand der bisher bekannten Daten vorsichtig. Zum Beispiel wissen wir, dass die Mutation E484K in einer ganzen Reihe an Studien mit immune escape in Verbindung gebracht wird, wie etwa der sechs- bis zehnfachen Neutralisationsreduktion nach einer BioNTech-Impfung bei B.1.1.7+E484K im Vergleich zu B.1.1.7 [1]. B.1.617 weist aber an dieser Stelle eine andere Mutation auf (E484Q), zu der noch kaum Daten vorliegen. Auch sind die vielen anderen Mutationen in B.1.617 und ihre Kombination noch wenig erforscht.
Mir scheint es zum jetzigen Zeitpunkt unklar, inwieweit geänderte Eigenschaften von B.1.617 die Haupttreiber sind für die derzeitige katastrophale zweite Welle in Indien. Das sollte man nicht ausschließen, aber gleichzeitig gibt es verschiedene Umstände wie Öffnungsmaßnahmen inklusive Massenveranstaltungen und ein überfordertes Gesundheitssystem, die sicherlich auch einen größeren Einfluss haben als die Mutationen. All dies ist auch reflektiert in der bisherigen Einordnung von B.1.617 als ‚Variant of Interest‘ (VOI) und nicht ‚Variant of Concern‘ (VOC).
([1] Collier DA et al. (2021): Sensitivityof SARS-CoV-2 B.1.1.7 to mRNA vaccine-elicited antibodies. Nature. DOI:10.1038/s41586-021-03412-7.)
Die Arbeit scheint noch recht vorläufig zu sein und scheint zu zeigen, dass es eine leichte, aber eindeutige Reduktion der Neutralisationswirkung bei B.1.617 gibt. Dies ist wegen der E484Q-Mutation nicht unerwartet, aber ich hätte eher einen stärkeren Effekt erwartet.
Das Preprint deutet darauf hin, dass die Neutralisationswirkung durch Mutationen in der B.1.617-Variante weniger stark fällt als bei B.1.351 (SARS-CoV-2-Variante, die ursprünglich in Südafrika identifiziert wurde; Anm. d. Red.). Allerdings ist die Studie klein und vorläufig, da es insbesondere nur wenig Details zu den Methoden gibt.
Die Effekte von Mutationen in der Rezeptorbindedomäne auf das Binden von Antikörpern sind mittlerweile gut untersucht und die Mutationen sind zumindest gute Hinweise auf mögliche Reduktionen von Neutralisationswirkungen. Schlüsse über Virulenz oder Übertragbarkeit sind aber nicht ohne weiteres möglich.
Auf die Frage, wie Journalist*innen zum jetzigen Zeitpunkt über die vorläufigen Ergebnisse berichten sollten:
Ich denke diese ersten Ergebnisse sollten erst unter Wissenschaftlern diskutiert werden, bevor sie ihren Weg in die Tagespresse finden.
Auf die Frage, wie die Variante B.1.617 anhand der bisherigen Informationen und dem Preprint einzuschätzen sei:
„Die Ausbreitung der B.1.617-Variante ist vor allem aufgrund der hohen Inzidenzen und der Überlastung des indischen Gesundheitssystems besorgniserregend. Es bleibt abzuwarten, ob die Variante einen ähnlichen Vorteil in der Verbreitung hat, wie die B.1.1.7-Variante. Die Mutationen im Spikeprotein scheinen keine deutliche Abschwächung der Antikörperneutralisation zu verursachen, so dass ich nicht erwarte, dass der Impfschutz durch diese Virusvariante gefährdet ist.“
„Einige Mutationen liegen an den gleichen Positionen wie in B.1.1.7 beziehungsweise in B.1.351 und P1. Allerdings sind die Veränderungen in den Aminosäuren, also den Bausteinen des Spikeproteins, nicht identisch. Das könnte auch erklären, warum die Antikörperneutralisation nicht so stark reduziert ist, wie bei B.1.351.“
Auf die Frage, wie Journalist*innen zum jetzigen Zeitpunkt über die vorläufigen Ergebnisse berichten sollten:
„Ich denke, dass aktuell ein Hauptfokus darauf liegen sollte, auf die alarmierende humanitäre Lage in Indien aufmerksam zu machen und auf die generelle Notwendigkeit einer konsequenten Surveillance (Überwachung der zirkulierenden Virusvarianten; Anm. d. Red.) in Deutschland hinzuweisen. Ein Grund zur Sorge, dass die Impfungen durch diese Virusvariante ihre Wirksamkeit verlieren, besteht aktuell nicht.
Wenn es sich bestätigt, sind die Daten aus dieser Veröffentlichung äußerst ermutigend. Sie deuten darauf hin, dass es keine Immunflucht gibt. Die Variante B.1.617 wird von Antikörpern neutralisiert, die bei Personen vorhanden sind, die nach Infektionen mit dem ursprünglichen Virus und in Europa zirkulierenden Varianten genesen sind oder von den Antikörpern, die durch COVID-19-Impfstoffe stimuliert werden. Es bleibt zu prüfen, ob diese Variante eine erhöhte Infektiösität und/oder eine erhöhte Virulenz beziehungsweise ein erhöhtes krankheitserregendes Potenzial aufweist. Es ist auch wichtig zu berücksichtigen, dass die Situation in Indien nicht direkt auf Europa übertragen werden kann, da es kritische Unterschiede in den demografischen und Umweltparametern gibt, die sich auf Schlüsselindikatoren auswirken können.