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Die Ständige Impfkommission hat am 10.11.2021 ihre COVID-19-Impfempfehlung aktualisiert und rät nun, Personen unter 30 Jahren ausschließlich mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty (Biontech/Pfizer) zu impfen. Die Empfehlung gilt sowohl für die Grundimmunisierung als auch für mögliche Auffrischimpfungen – selbst wenn zuvor ein anderer Impfstoff verwendet wurde, sollen die weiteren Impfungen mit Comirnaty erfolgen. Die Vektorimpfstoffe Vaxzevria (Astrazeneca) und Janssen (Janssen-Cilag/Johnson & Johnson) werden weiterhin erst ab 60 Jahren empfohlen. Die Stiko bergündet ihre Entscheidung mit seltenen Fällen von Herzentzündungen nach der Impfung. Aktuelle Analysen zeigten, dass Herzmuskel- (Myokarditis) und Herzbeutelentzündungen (Perikarditis) bei Jungen und jungen Männern sowie bei Mädchen und jungen Frauen unter 30 Jahren nach der Impfung mit dem Moderna-Vakzin Spikevax häufiger beobachtet wurden als nach der Impfung mit Comirnaty. Für Menschen ab 30 Jahren besteht der Stiko zufolge nach der Impfung mit Spikevax kein erhöhtes Risiko für eines der genannten Herzleiden. Jüngst hatten bereits die nordischen Länder sowie Frankreich die Impfung mit Spikevax für Jüngere zunächst gestoppt beziehungsweise davon abgeraten. Bislang ist nicht eindeutig geklärt, wieso es nach einer mRNA-Impfung zu solch seltenen Herzentzündungen kommt. Das SMC hat Expertinnen und Experten deshalb zu möglichen Pathomechanismen befragt. Ein Fact Sheet, das die Redaktion bereits am 12. Oktober verschickt hat, fasst zudem den Wissensstand bei der Häufigkeit und Altersverteilung der Myo- und Perikarditisfälle nach der Impfung mit einem mRNA-Vakzin zusammen.
Die Ständige Impfkommission hat am 10.11.2021 ihre COVID-19-Impfempfehlung aktualisiert und rät nun, Personen unter 30 Jahren ausschließlich mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty (Biontech/Pfizer) zu impfen. Die Empfehlung gilt sowohl für die Grundimmunisierung als auch für mögliche Auffrischimpfungen – selbst wenn zuvor ein anderer Impfstoff verwendet wurde, sollen die weiteren Impfungen mit Comirnaty erfolgen. Die Vektorimpfstoffe Vaxzevria (Astrazeneca) und Janssen (Janssen-Cilag/Johnson & Johnson) werden weiterhin erst ab 60 Jahren empfohlen. Die Stiko bergündet ihre Entscheidung mit seltenen Fällen von Herzentzündungen nach der Impfung. Aktuelle Analysen zeigten, dass Herzmuskel- (Myokarditis) und Herzbeutelentzündungen (Perikarditis) bei Jungen und jungen Männern sowie bei Mädchen und jungen Frauen unter 30 Jahren nach der Impfung mit dem Moderna-Vakzin Spikevax häufiger beobachtet wurden als nach der Impfung mit Comirnaty. Für Menschen ab 30 Jahren besteht der Stiko zufolge nach der Impfung mit Spikevax kein erhöhtes Risiko für eines der genannten Herzleiden. Jüngst hatten bereits die nordischen Länder sowie Frankreich die Impfung mit Spikevax für Jüngere zunächst gestoppt beziehungsweise davon abgeraten. Bislang ist nicht eindeutig geklärt, wieso es nach einer mRNA-Impfung zu solch seltenen Herzentzündungen kommt. Das SMC hat Expertinnen und Experten deshalb zu möglichen Pathomechanismen befragt. Ein Fact Sheet, das die Redaktion bereits am 12. Oktober verschickt hat, fasst zudem den Wissensstand bei der Häufigkeit und Altersverteilung der Myo- und Perikarditisfälle nach der Impfung mit einem mRNA-Vakzin zusammen.
Eine Besonderheit der mRNA-Technologie ist, dass nach der Injektion des Impfstoffs mehr oder weniger unkontrolliert über mehrere Tage das Spike-Protein im Körper produziert wird. Die Menge ist individuell unterschiedlich. Einerseits dockt das Spike-Protein selbst als Antigen an die ACE2-Rezeptoren. Diese befinden sich sowohl in den Myokardzellen als auch in den Endothelzellen. Dies führt zur Hemmung von ACE2, dem Gegenspieler von Angiotensin II im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System. Angiotensin II ist bekannt toxisch und kann zum Zelluntergang führen.
Andererseits rufen Spike-Proteinen als Antigen eine immunologische Reaktion mit Bildung von Antikörpern (B-Zellsystem) sowie zur Migration von zytotoxischen T-Zellen (T-Zellsystem) vor.
Nach Andockung der Spike-Proteine an die ACE2-Rezeptoten der myokardialen Zellen kann es zu folgenden Reaktionen kommen: 1. Durch Blockade der ACE2-Rezeptoren entsteht ein relativer Überschuss von Angiotensin-II, was für die Myokardzellen schädlich ist (metabolische Toxizität). 2. Immunologische Reaktion: Nach dem Andocken der Spike-Proteine können zwei Immunreaktionen hervorgerufen werden: A) Antikörper kommen dazu. Es bilden sich Antigen-Antikörper-Komplexe an der Membran der Myokardzellen, was konsekutiv zu Myokardschädigung führt. B) Zytotoxische T-Zellen docken sich an den Myokardzellen, um Antigen zu eliminieren. Dies führt konsekutiv zu Myokardschädigung.
Hinweise darüber, welcher Mechanismus letztendlich dominant ist, könnten nur in systematischen histologischen Untersuchungen gewonnen werden, die bisher nicht vorliegen.“
Da die Myokarditis vorwiegend nach der zweiten Impfung auftritt, ist der zweite Mechanismus sehr wahrscheinlich. Es handelt sich sozusagen um ein Autoimmunphänomen.
Weitere Charakteristika für autoimmune Phänomenen sind vorhanden: hyperaktives Immunsystem (junge Leute), Geschlechtsabhängigkeit (Männer). Somit ist das Auftreten dieser unerwünschten Wirkung sehr individuell im Sinne einer genetischen Prädisposition in der Familie beziehungsweise in der Rasse zu sehen. Dies würde die Seltenheit erklären.
Es ist nicht auszuschließen, dass diese Phänomene bei Kindern zwischen fünf und elf Jahre, bei denen das Immunsystem hyperaktiv ist, noch häufiger anzutreffen sind. Allerdings ist die klinische Relevanz sehr fraglich, weil Kinder in diesem Alter sehr wenig ACE2-Rezeptoren exprimieren. Somit verringert sich das Risiko.
Auf die Frage, wieso die Myokarditisfälle häufiger nach einer Moderna- als einer Biontech-Impfung auftreten und wie es zu erklären ist, dass dies häufiger nach der zweiten Impfung passiert.
Es handelt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Klasseneffekt. Der Unterschied zwischen Moderna- und Biontech-Impfstoffen könnte an der applizierten mRNA-Impfstoff-Menge (30 μg bei Biontech vs. 100 μg bei Moderna) liegen und somit an der Menge der im Körper produzierten Spike-Proteine. Einen Beweis dafür gibt es bislang aber nicht.
Dass es häufiger nach der zweiten Impfung passiert, erklärt sich aus dem möglichen Pathomechanismus. Daher ist die generelle Empfehlung für eine dritte Impfung für alle Altersgruppen mit Vorsicht zu beobachten. Eine Booster-Impfung für Risikopatienten (Immunsupprimierte oder älter als 60 Jahre) ist sinnvoll, weil bei ihnen kein hyperaktives Immunsystem besteht.
Während die Datenlage in den vergangenen Wochen durchaus umfangreicher wurde, sind die Hypothesen bezüglich der Mechanismen und der Pathophysiologie der Herzentzündungen weiterhin völlig unklar.
Grundsätzlich kommen zwei potenzielle Mechanismen infrage: Zum einen eine Reaktion auf die aktive Komponente des Impfstoffs, die mRNA-Sequence, die für das Spike-Protein von SARS-CoV-2 kodiert, oder die generelle Immunreaktion auf die Impfung. Die Tatsache, dass eine Myokarditis häufiger nach der zweiten Impfung, zumindest beim Biontech-Impfstoff, auftritt, könnte eher für eine generelle Reaktion des Immunsystems auf die Impfung sprechen, das ist aber spekulativ. Die Tatsache, dass es nach Impfung mit dem Moderna-Impfstoff etwas häufiger zu Myokarditisfällen kommt, spräche eher für die RNA-Sequenz, die sich, wenn auch nur geringfügig, zwischen den beiden Impfstoffen unterscheiden. Bei der Inzidenz ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Häufigkeiten sehr stark von der Güte und Konsequenz der Nachverfolgung und den entsprechend hierbei eingesetzten Untersuchungsverfahren abhängen. Ich denke, die aussagefähigsten Daten hierzu liefert die jüngst im ,New England Journal of Medicine‘ publizierte Studie von Mevorach et al. aus Israel [1]. Dort werden alle Patienten mit Myokarditis stationär aufgenommen, was nicht in allen anderen Ländern der Fall ist.
Als einzige Risikoparameter wurden bisher ein Alter zwischen 16 und 29 Jahren und dazu das männliche Geschlecht identifiziert. Die Gründe dafür sind unklar, die Daten bestätigen sich aber in allen Studien sehr einheitlich. In der Mevorach-Studie zeigt sich bei 16- bis 19-jährigen Männern eine Inzidenz von 1 auf 6 637 Geimpften, während in der gleichen Altersgruppe dies lediglich bei 1 von 99 583 jungen Frauen der Fall war. In der Gesamtpopulation ist die Inzidenz 1 auf 26 000 bei Männern und 1 auf 218 000 bei Frauen nach der zweiten Dosis. Damit ist auch erklärbar, dass in der Zulassungsstudie, die rund 15 000 Geimpfte umfasste, kein Signal für eine erhöhte Myokarditis-Inzidenz gesehen wurde. Grundsätzlich bleibt aber festzuhalten und wird auch in der Studie von Witberg et al. [2] sehr gut dokumentiert, dass die Verläufe der Myokarditen auch bei jungen Patienten exzellent sind und sich fast alle in ihrer Herzfunktion komplett erholen.
Leider wurden in Israel praktisch alle Menschen mit Biontech geimpft, sodass dort kein direkter Vergleich vorliegt. Die kanadischen Daten sprechen allerdings dafür, dass Moderna tatsächlich mit einer geringfügig höheren Inzidenz assoziiert ist, allerdings bei aller Vorsicht hinsichtlich Nachverfolgung und diagnostischer Sicherheit hinsichtlich Myokarditis.
Insgesamt bleibt festzuhalten: Peri- und Myokarditis sind seltene, aber nach mRNA-Impfung gegen SARS-CoV-2 vermehrt vorkommende Nebenwirkungen mit einer excess rate von ca. 2,7 auf 100 000 Geimpfte (mit Bevorzugung junger Männer), aber immer noch 4- bis 10-mal niedriger in der Häufigkeit als die Myokarditis, die im Zuge einer COVID-19-Erkrankung beobachtet wird [3]. Angesichts der Tatsache, dass das Virus endemisch werden wird, ist der Vorteil einer Impfung auch was eine Myokarditis angeht unbestreitbar. Zu Kindern im Alter unter 16 Jahren gibt es bisher allerdings keinerlei valide und zahlenmäßig aussagekräftige Daten.